Der Text aus der LGB-Depesche 97, verfasst 1996

Man nehme...

Vorwort

In einem Urlaub in Garmisch-Partenkirchen haben wir die LGB durch Zufall in einem Spielzeuggeschäft entdeckt, als wir für unsere Tochter nach Puppenmöbel schauten. Ich war völlig überrumpelt von dieser Bahn, welche ich zwar schon in Ausstellungen gesehen hatte, aber niemals einer Serienfertigung zuordnete. Meine Frau hat mir das auch angemerkt. Trotzdem sind wir leer aus dem Geschäft heraus, denn die Blicke auf diverse Preise geboten doch Einhalt. Zwei Tage Familienrat und Über- redungskunst meiner Frau machten mich schließlich doch zum Jung-LGB-ler mit einer Anfangspackung. Heute weiß ich die Hintergedanken bei der Überredung. Es galt das Grundstück von einem Nutzgarten (weil nach der Wende nicht mehr in dem Umfang gebraucht) in einen Ziergarten zu verwandeln und ich bin kein begeisterter Gärtner.

Das erste Jahr

Im ersten Jahr habe ich dann Versuche im Garten getätigt. Es wurde zur Freude meiner Frau ein Gartenteich im Schweiße des Angesichts von Vater und Sohn (18 Jahre) angelegt. Die Bahn fuhr dann vom Haus zum Teich. Durch eine Ausweichstelle konnten bei dieser Knochenanlage (doppelte Wendeschleife) zwei Züge fahren. Da der Garten leicht abfällt und die Gleise auf Gehwegplatten einfach auf Gartenniveau verlegt wurden, ergaben sich Steigungen einmal bei ca 2-3% und bei 5-6%. Zusätzlich bestand der Wunsch auf Erdgeschoßhöhe (+ 1.35 m über Gartenniveau), zum Zwecke des einfacheren Hin- und Wegräumens zu fahren. Dazu wurde ein Kunstberg mit 10% Gefälle gebaut, getestet und wieder verworfen. Die Praxis zeigte auch bald, ein Idealgefälle sollte 2% nicht übersteigen, da sonst Züge, die auch diesen Namen verdienen, allzu leicht ins Schleudern geraten. Die Wintertauglichkeitsprüfung bestand die LGB mit den Prädikat "sehr gut".

Wie ging es weiter?

Es folgen Monate der Planung. Ich gehöre zu jenen Menschen, die solche Vorhaben theoretisieren können und auf Papier bzw. im Computer entwickeln, wobei die Praxis dann immer noch Änderungen an wohl jedem, auch noch so gutem Plan fordert. Es reifte die Idee eine Computersteuerung zu realisieren. Dabei sollten die Kosten so gering wie möglich gehalten werden. Es schieden bei der gründlichen Recherche angebotene Steuermodule und digitale Steuerungen jeweils als zu teuer aus. Das eingesparte Geld sollte sinnvollerweise im Fahrzeugpark investiert werden.

Die Steuerung

Die dann realisierte Steuerung basiert auf einem ausgedienten Computer 386SX mit 4 MB RAM und 42 MB-Festplatte. Die Verbindung zur Modellanlage erfolgt mit sogenannten PIO-Karten ( 8Bit EIN-AUSgabe), welche Informationen von Relaisplatinen bekommen bzw. als Ausgabe Relaisschaltstufen ansteuern. Eine PIO-Karte hat 48 EIN/AUSgänge, wobei wir drei Stück verwenden, davon zwei für Ausgaben.

Als Eingaben werden die Belegung der Haltestrecken und Informationen zur Art des Zuges ( Bauzug, Schnellzug, Reinigungslok usw.) ausgewertet. Die Ausgaben sind Weichenschaltungen, Fahrtrichtungs- und Fahrspannungsschaltungen, sowie die Freigabe der Haltestrecken. Die Steuerung kann dabei als Vollautomatik (Programm geschrieben in BASIC) oder im Handbetrieb über ein Turbo-Pascal-Windows-Programm mit der Maus erfolgen. Meistens läuft die Automatik.

Der Ablauf der Steuerung ist dabei wie folgt: Die Zuggarnituren stehen in einer Gleisharfe im Keller. Am Spielbeginn wird ein Zug per Zufallsgenerator aktiviert und sein Ziel wird vorangemeldet. Nun kontrolliert der Computer immer wieder sämtliche Haltestrecken auf Belegung. Wird eine solche gemeldet und diese auch erwartet so wird der Zug schnellstmöglich weitergeleitet. Es sei denn er steht in einem Bahnhof, wo er eine einstellbare Mindestzeit absitzen muß. Meldet sich ein Zug ohne Vorankündigung an einer Haltestrecke so geht der Computer mit einer entsprechenden Meldung in Anlagenstop. Die Ursache könnte zum Beispiel eine defekte Weiche sein. In der Testphase war es meist ein Programmfehler. Nach Behebung des Fehlers wird der Fahrbetrieb wieder aufgenommen. Sporadisch gestartete Sonderprogramme, wie zum Beispiel ein Bauzug der irgendwo die Strecke repariert, bringen zusätzlich Abwechslung in den Ablauf, der somit auch für mich immer wieder überraschend abläuft. Eine Ähnlichkeit mit der Anlage von Herrn Großhans (LGB-Buch "Meine geliebte Lehmann Großbahn") ist dabei nicht ganz zufällig. Ich habe sein Buch mehrfach gelesen und dabei immer wieder festgestellt, daß seine Ansichten über einen Gartenbahnbetrieb mit meinen Vorhaben weitestgehend übereinstimmten. Die andere technische Realisierung liegt darin begründet, daß ich ein Verfechter von Sternverkabelung bin, und natürlich bietet sich für einen Informatiker eine Computerlösung an.

Die Bauteile

Wir verwenden als Schaltkontakte grundsätzlich Reedkontakte. Im Freien kommt eine vergossene Variante zum Einsatz, die auch strenge Winter schadlos übersteht. Diese konnten wir im Keller, wo die Weichen der Harfe von den Zügen geschaltet werden, leider nicht verwenden, da es zu "Klebeeffekten" kam. Dort wurden dann unvergossene, leistungsfähigere Reedkontakte eingesetzt, seither problemlos. Auf mechanische Kontakte habe ich im Interesse der Betriebssicherheit komplett verzichtet. Im Garten existieren noch zwei spritzwassergeschützte Feuchtraumschalter für NOTAUS und SPIEL-ENDE, welche aber nur mit fünf Volt betrieben werden. Das NOTAUS läßt sich auch über eine schlüsselanhängergroße Funkfernsteuerung auslösen. In der Praxis hat sich die NOTAUS - Funktion als sehr wichtig erwiesen, denn hier und da kann schon mal ein Fahrzeug straucheln. Dabei werden nur die Fahrspannungen abgeschaltet und nach der Ursachenbehebung geht's durch Rückstellung des Schalters weiter. Im Freien sind dann nur noch diverse Beleuchtungskörper (16V) und die original LGB-Weichenantriebe (18V) vorhanden. Alles Andere ist im trockenen Keller untergebracht, und zwar drei Labornetzteile für die drei Stromkreise der Fahrspannungen, sowie drei Trafos jeweils für Weichen, Relais und Beleuchtung. Desweiteren über 40 Relaisplatinen für die Ausgaben, 9 Weichenschaltungsplatinen für 19 Weichen und mehr als 20 Platinen für die Eingabemeldungen. Im Test befindet sich derzeit eine Anfahr- und Bremsplatine. Alle Platinen wurden selbst entworfen und bestückt. Nur das Ätzen und Bohren der Leiterplatten war eine Fremdarbeit. An Kabel liegen 400 m achtpoliges Datenkabel und 200 m fünfpolieges Fahrstromkabel gebündelt und sicher vergraben. Dabei wurde auch einiges an Reserve mit verlegt.

Die Anlage

Unsere Anlage ist von der Gestaltung her ein wahres Schmuckstück. Dabei treibe ich hier kein Eigenlob sondern beurteile die unermündliche Arbeit meiner Frau und unserer zwölf Jahre jungen Tochter. Es ist schon ein kleines Kunststück in bestimmten Bereichen die Natur im Maßstab zu halten. Unser 72jähriger Opa ist als "guter Geist" ständig bemüht, Gebäude und Figuren sauber zu halten und das immer präsente Unkraut im Keime zu ersticken. Das Thema unserer Anlage liegt in Amerika in den San Juan Bergen im Bundesstaat Colorado. Für die "Anpassung" des Grundstückes haben wir bisher zwanzig Tonnen Felsmaterial sowie vierzehn Kubikmeter Erde zusätzlich beschafft und verarbeitet, insgesamt aber mindestens noch einmal genausoviel Erde bewegt. Die "Rocky Mountains-Felsen" von teilweise tonnenschwerer Güte konnten nur mit der Hilfe von Nachbarn und Freunden bewegt werden, dafür an dieser Stelle vielen Dank.

Die Strecke mündet vom Keller kommend in den Bahnhof Durango. Dort gehen zwei Strecken ab. Die Erste führt nach Silverton und die Zweite, noch im Bau befindliche Strecke, wird über Chama nach Antonito führen. Teilweise sind diese Strecken in Amerika heute noch als Museumsbahnen in Betrieb. Nur der Abschnitt zwischen Durango und Chama ist leider demontiert. Er erlebt bei uns eine Renaissance und wird später modernisiert zur Führung von modernen Dieseltraktionen.

Als vielleicht erwähnenswerte Kunstbauten existiert ein Felstunnel von knapp 1,5 m Länge, und eine der drei Holzbrücken ist eine über 3,70 m lange Trestle. Das Schwierige bei dieser 180°-Brücke im LGB-Radius 3 war eine durchgängige Steigung von 2% bei stufenförmigen Geländeverlauf zu realisieren. Die Brücke wurde in der Kellerwerkstatt zu 80% vorgefertigt, nach draußen geschafft und dort komplettiert.

Das leidige Thema Unterbau hat auch bei uns einige Versuche durchlebt. Die Version, die sich durchgesetzt hat, sind gegossene Betonschwellen, welche an der Oberseite Pflasterkies haben, der ausgewaschen wird, um einen Gleiskörpereffekt zu erzielen. Da wir nur die LGB-Radien 3 und 1 verwenden haben wir drei Formen angefertigt: Eine Gerade von 1,20 m sowie je ein Bogenstück für Radius 3 und Radius 1 in der Länge von je zwei Bogengleisen. Kleinere benötigte Stücke werden problemlos mit dem Winkelschneider herausgearbeitet. Diese Schwellen liegen bei Gewichten bis 20 kg hervorragend stabil in einem 20 cm-Kiesbett. Kleinere Korrekturen, zum Beispiel nach der Wintereinwirkung, sind so leicht möglich. An dieser Stelle müssen wir aber zugeben, daß wir diese Betonteile in einer befreundeten Firma herstellen lassen, denn erstens werden sie dort richtig verdichtet und zweitens rechtfertigt der Aufwand, den man zu Hause treiben müßte, kaum die trotzdem entstehenden Kosten. Bestellungen sind übrigens möglich.

Die Bahnhofs- und Ausweichsgleisbereiche werden allerdings mit Gehwegplatten gestaltet. Die Gebäude sind alles Bausätze der Firmen PIKO und POLA, und natürlich beleuchtet.

Was hat die Praxis gezeigt? Die Steuerung läuft jetzt seit einigen Monaten einwandfrei und sehr zuverlässig. Wenn man sich den Gleisplan betrachtet ist es verwunderlich, daß es der Computer teilweise schafft nur auf der Strecke Kellerausgang-Durango-Silverstone gleichzeitig bis zu sechs Züge einzusetzen. Ist der Rechner und der Zufall allerdings mißmutig sieht die Zahl der sich im Einsatz befindlichen Zuggarnituren wesentlich geringer aus.

Die sich bei uns 365 Tage im Jahr im Freien befindlichen LGB-Weichenantriebe laufen absolut klaglos, eine gründliche Reinigung im Frühjahr und gelegentliches Ölen der Gleitflächen voraussetzt.

Da wir mittlerweile sämtliche Schienenstöße mit Kabelbrücken verlötet haben, würden wir uns Lötösen an der Unterseite der Gleise, etwa in der jeweils zweiten Schwelle vom Gleisende her gesehen von den Lehmännern wünschen. Das dies realisierbar ist, beweisen die gepunkteten Brücken an der Unterseite der Weichen. Eine Umfrage dazu wäre sicherlich interessant.

Die Kosten

-je PIO-Karte DM 98,00 ( 50,11 € )

-je Relaisplatine DM 19,95 ( 10,20 € ) für Fahrspannung, Fahrrichtung, Haltestrecke,

-je Anfahr- und Bremsautomatik DM 9,38 ( 4,80 € ) für Haltestrecken im Garten

-je Weichenplatine DM 38,08 ( 19,47 € ) für zwei Weichen und jeweils beide Richtungen oder eine Dreiwegweiche

-je einfacher Haltestrecke DM 21,62 ( 11,05 € ) im Strumpfgleis oder Haltestrecke, die nur in einer Richtung befahren wird

-je doppelter Haltestrecke DM 31,68 ( 16,20 € ) für Ausweichgleis mit zwei Haltestrecken oder Haltestrecke, die in beiden Richtungen befahren wird, aber nur eine Richtung angezeigt werden soll.

Alle Preise beziehen sich auf den Elektronikkatalog von "Conrad" und sind Materialpreise ohne Berücksichtigung der eigenen Arbeitsleistungen, außer die fremdgefertigten Platinen sind komplett berechnet.

Der Zeitaufwand für die theoretische Entwicklung und Programmierung lag bei ca. 400 Stunden und die der praktischen Ausführung bei ca. 120 Stunden.

Endbetrachtung

Wir haben uns mittlerweile eine sehr schöne Anlage geschaffen, aber ein Ende ist noch nicht in Sicht. Warum auch?

Von den Lehmännern und der Redaktion der LGB DEPESCHE wünschen wir uns: "Macht weiter so!" Übrigens: Ein spezieller Wunsch wäre ein amerikanischer Vierkuppler, etwa eine Mikado.

Wer mehr Information über die Steuerung oder Platinenlayouts bzw. Programminhalte möchte kann sich gern an mich wenden. Ich habe für Erfahrungsaustausch immer ein offenes Ohr. Derzeit ist, schon aus eigenem Interesse, eine umfassende Dokumentation in Arbeit. Ein Nachbau ist selbst für Elektroniklaien und nur mäßig computerbewanderte LGB-ler möglich.

Wegen der beruflich bedingt knapp bemessenen Freizeit ist eine Terminabsprache für eventuelle Besuche unerläßlich, aber machbar.

Lutz Sommer

Am Stadtrand 14, 08371 Glauchau

Telefon: 03763 / 18273